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Beamtenkarriere für die Kunst aufgegeben?
Kunst aus Stuttgart: Kunstpädagoge und Künstler Chris Morys im Interview

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Kunst aus Stuttgart: Kunstpädagoge und Künstler Chris Morys im Interview Chris Morys ist ein bildender Künstler aus Deutschland, dessen Gemälde
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Der studierte Kunstpädagoge wurde 1990 in Esslingen am Neckar geboren und lebt und arbeitet heute in Stuttgart. Bereits als Jugendlicher fand er seine Liebe zum Graffiti. Die Leidenschaft für die Kunst und das Herz für Menschen ließen ihn Kunstpädagogik und Politikwissenschaften mit den Schwerpunkten Psychologie und Soziologie studieren. Seit über 10 Jahren hilft er als Coach den Menschen, ihre Fähigkeiten zu entdecken und so ihr volles Potential zu entfalten.

Kunst aus Stuttgart: Kunstpädagoge und Künstler Chris Morys im Interview

Chris Morys ist ein bildender Künstler aus Deutschland, dessen Gemälde international ausgestellt wurden. Die Expressivität  und der kraftvolle Ausdruck seiner Bilder spiegeln die innersten Energien, die die Menschen antreiben. Die Kunstwerke von Chris Morys regen dazu an, die eigene innere Stärke wahrzunehmen und auf positive Art schöpferisch zu leben.

Morys gelingt es die kraftvollen Dynamiken des menschlichen Seins in seinen Werken darzustellen. Inspiriert durch Begegnungen mit Menschen, dem Hören von Musik und dem Erleben von Natur, lassen seine kontrastreichen und lebendigen Kompositionen den Betrachter in ein starkes emotionales Erlebnis eintauchen. 

Chris Morys im Interview

Wo bist du gerade, wie geht es dir und woran arbeitest du aktuell?

Ich befinde mich derzeit in meinem Atelier in Esslingen bei Stuttgart. Mir geht es sehr gut, danke der Nachfrage. Aktuell arbeite ich an einer Serie von abstrakten Gemälden, bei der ich versuche den Kopf auszuschalten und innere Prozesse fließen zu lassen. Außerdem beschäftige ich mich viel mit Spiritualität und arbeite daran, die Verbindungen zwischen Menschen und Natur zu erkunden.

Wie bist du überhaupt zur Kunst gekommen? Und gab es einen bestimmten Moment, in dem du dich entschieden hast, deine Werke mit der Öffentlichkeit zu teilen?

Die Kunst begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Mir war schon immer klar, dass ich gerne kreativ bin. So habe ich zunächst als Kind viel gemalt und gezeichnet. In der Jugend kam dann die Begeisterung für Graffiti dazu. Als dann die Entscheidung anstand, nach der Schule anstand, was ich „einmal werden will“, wusste ich, dass ich etwas mit Menschen machen will und entschied mich dafür Lehramt zu studieren.

Zum damaligen Zeitpunkt dachte ich allerdings, dass meine Kunst nicht gut genug sei. Der Klassiker – wir vergleichen uns mit anderen und unser eigener innerer Kritiker, redet uns ein, dass wir nicht gut genug seien. Kunst blieb daher bis dahin ein Hobby und etwas, das ich ab und zu in Workshops an Kinder und Jugendliche weitergab.

Im Laufe des Studiums kamen aber immer mehr Menschen zu mir und sprachen mich darauf an, warum ich nicht Kunst studiere. Ich  hörte in mich rein und spürte, wie die anfänglichen Ängste und Zweifel, einer Neugierde und einer Begeisterung wichen. Also entschied ich mich dazu, Kunst als weiteres Fach zu studieren. Das war ein echter Volltreffer. Und eine der wunderschönsten Phasen meines Lebens.

Ich konnte so viele verschiedene Kunststile und Kunstmethoden ausprobieren und so viele Kunstinhalte lernen. Von Bildhauerei mit Stein, Holzskulpturen mit Kettensägen über Drucke, Urban Sketching, Malerei, Design, Fotografie, natürlich jeder Menge Graffiti und Zeichnungen, über Besuche der Dokumenta, Fahrten nach Berlin und das Engagement in der Kunstfachschaft. In dieser Phase kamen auch die ersten Ausstellungen in der Studiengalerie, in meiner Geburtstag Esslingen und in Novi Sad (Serbien).

Ein Highlight war, als ich in der Staatsexamensprüfung saß und der Professor mir neben einer 1.0 für meine Prüfung ein Promotionsangebot im Fach Kunst anbot. Ich entschied mich, den Weg des beamteten Lehrer zu gehen und im weitern Schritt zu promovieren. Dies sollte dann aber einer der lehrreichsten Erfahrungen und bis dato größte Lebenskrise werden.

Trotz meiner sehr guten Noten im Studium und vieler erfolgreicher Projekte, die ich bereits umgesetzt hatte, blieb ich nun im Lehrerberuf weit hinter den Anforderungen zurück. Das konnte und wollte ich nicht akzeptieren! Ich gab alles. Ich schlief fast nicht mehr und hatte kaum noch ein Sozialleben. Ich stand morgens vor der Arbeit auf, um extra zu arbeiten, gönnte mir kaum Pausen und arbeitete bis tief in die Nacht.

Es machte mich ohnmächtig, zu merken, dass ich alles gab und die vorgegeben Ziele nicht erreichte. Der Druck war unaushaltbar. Meine Verzweiflung war riesengroß. Ich konnte nicht mehr schlafen, meine Beziehung ging in die Brüche und ich war nur noch ein Schatten meiner selbst. Ich hatte unfassbare Angst, dass ich mein Leben in die falsche Richtung gelebt hatte. Es fühlte sich nach Scheitern an. An diesem Punkt, war mein Selbstwert auf dem absoluten Tiefpunkt.

In dieser Zeit wurde mir sehr deutlich von erfahrenen Kollegen gesagt: „Du gehörst hier nicht her!“ Das traf mich wie ein Blitz und zog mir den Boden unter den Füßen weg. Mein Lebensplan war den Menschen als Lehrer zu helfen. Aber wenn dir jemand dann mit Autorität sagt: „Du gehörst hier nicht her!“, wirst du zurückgeworfen.

Jedoch musste ich mir eingestehen, dass Sie recht hatten und realisierte: Absolut! Ich gehörte da nicht her. Das war nicht meine Lebensvision! Also ging ich den konsequenten und radikalen Schritt und kündigte. Ich kündigte mein geplantes Leben, ich kündigte meinen Beamtenstatus und ich kündigte die Sicherheit.

Was nun folgte war die spannendste Reise meines Lebens. Die Reise zu mir selbst. Kreativität half mir, mich selbst zu finden. Ich hatte gesehen, dass viele Leute durch Kreativität ihr Potential entfalten konnten. Sie fanden Lösungen für ihr eigenes Leben und hatten die Liebe zu anderen entdeckt.

Ich habe die innere Erkenntnis gewonnen, dass ich in meinem Leben nicht am richtigen Ort war. Durch diese Erfahrung, habe ich erkannt, ich will eigentlich etwas anderes. Ich möchte mein Potential leben, Ich möchte mein Leben selbst in die Hand nehmen. Ich will nicht das Leben in dem man mir etwas vorgibt. Ich will ein freies, selbstbestimmtes Leben leben. Daher habe ich mich entschieden Künstler zu werden und mein Glück darin gefunden.

In meiner Lehrertätigkeit konnte ich den vielen Menschen nicht gerecht werden. Nun habe ich eine Möglichkeit, wie ich mit den Menschen interagieren kann und deren Schicksal positiv beflügeln kann. Ich sagte mir: „Ich gehe jetzt raus mit meiner Kunst und will den größtmöglichen Impact für alle Menschen geben! Ich träume von einer Welt, in der jeder ganz er selbst sein kann und seine Stärken lebt.“

Glaubst du, dass es wichtig war einen Rückschritt zu machen, um quasi wieder Anlauf zu nehmen? 

Ich denke, es war wichtig, zurückgeworfen zu werden, um meinen eigenen Wert zu begreifen, den ich jetzt viel besser entfalten kann. Durch den Weg den ich gegangen bin, durch die Erfahrungen und die Lehren, die ich daraus gezogen habe, kann ich Menschen erreichen und den Unterschied machen.

Ich habe oft den Eindruck, dass es fast egal war, was ich gemacht habe, sondern entscheiden war, wie ich es getan habe. Wie ich meinen ganz eigenen Weg gegangen bin, war wichtig, um jetzt anderen Menschen Kraft zu geben.

Du hast Lehramt studiert und bist Kindergärtner? – wie stark beeinflusst dein pädagogisches Wissen deine Kunst?

Das ist nicht ganz richtig. Es stimmt, dass ich studierter Lehrer bin. Allerdings arbeite ich ich nicht im Kindergarten, sondern im Kinderheim. Im Kinderheim wohnen die Kinder in Wohngruppen, jede/r aus ganz individuellen Gründen. Das können zum Beispiel minderjährige unbegleitete Flüchtlinge sein, aber auch Mädchen mit Essstörung oder Kinder und Jugendliche, die als Inobhutnahme im Kinderheim wohnen.

Ich bin dort Freizeitpädagoge, das heißt, ich helfe jungen Menschen in ihrer Freizeit, ihre eigenen Stärken zu entdecken und in ihre Kraft zu kommen. Außerdem bin ich selbständig und gebe Workshops in denen ich Menschen helfe, sich persönlich zu entwickeln.
Mein pädagogisches Wissen und meine Kunst verschwimmen sehr oft.

In meinem Kopf geht es ständig um menschliche Persönlichkeiten und die Frage: „Wer bist du?“ Und „Wie sieht die Welt aus deinem Kopf aus?“ Zwei zentrale Fragen, die ich auch in meinem Podcast den Gästen stelle. Draus leitet sich für mich automatisch die Frage ab: „Wer bist du wirklich?“ Und was ist deine Funktion in dieser Welt?“ Auf Grundlage dessen helfe ich den jungen Menschen in ihre Kraft zu kommen und ihr Potential zu entwickeln.

Kunst ist meine Methode, um in meine Kraft zu kommen. Mein Selfcare – meine Selbsttherapie. Durch die Kunst kann ich Dinge und Ebenen ausdrücken, die ich mit Worten nicht beschreiben kann. Nuancen, Schwingungen, Energien, Details. Kunst hilft mir, Erlebnisse zu verarbeiten, mich wieder mit mir selbst und dem großen Ganzen zu verbinden.

Somit kann man klar sagen: Mein pädagogisches Wissen hat einen deutlichen Einfluss auf meine Kunst. Es hilft mir, die Verbindung zwischen Kunst und persönlicher Entwicklung zu verstehen. In meinen Workshops und Podcasts konzentriere ich mich darauf, wie Kunst die Persönlichkeit fördern kann.

Diese Erkenntnisse fließen in meine Werke ein, indem ich versuche, den Betrachter zur Reflexion anzuregen und ihm eine tiefere Bedeutungsebene zu bieten.

Welche Rolle spielt die Kunst deiner Meinung nach in der Bildung und Entwicklung?

Kunst spielt eine wichtige Rolle in der Bildung und Entwicklung von Kindern. Sie fördert die Kreativität, die Selbstausdrucksmöglichkeiten und die Vorstellungskraft der Kinder.

Kunst hilft Kindern, ihre Emotionen auszudrücken und ihre individuellen Stärken zu entdecken.

Sie lehrt sie auch, die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und kritisch zu denken. Somit kann man sagen, dass Kunst und Kreativität zentral für die Entwicklung von Persönlichkeit sind. Zudem wird unsere Welt zunehmen komplexer. Das betrifft unsere Leben, aber auch die Probleme.

Daher benötig es ständig kreative Lösungen von Problemen. Man kann also sagen: Wer kreativ ist, findet bessere Lösungen für Probleme und ist dadurch im Stande, das Leben besser zu meistern.

Wenn wir uns die Entwicklungen in der KI ansehen, würde ich sogar so weit gehen, zu sagen, dass Kreativität das zentrale Element ist, dass uns von der KI unterscheidet. Somit ist Kreativität nicht eine nice to have Fähigkeit, sondern der zentrale Skill in unserer Welt.

Du leitest auch Workshops unter dem Credo „Persönlichkeit kreativ fördern“ – glaubst du, dass man Kreativität lernen kann?

Ja klar! Jeder Mensch ist kreativ. Das sehe ich jeden Tag, wenn ich mit Kindern arbeite. Uns wird nur in dieser sehr logisch, rational, strukturierten Welt beigebracht, wir müssten immer alles ganz genau planen und kontrollieren. Kreativität ist für mich wieder loszulassen und die Welt mit kindlicher, spielerischen Neugierde zu betrachten.

Inwieweit kann Kunst helfen, die eigene innere Stärke wahrzunehmen?

Kunst ist eine kraftvolle Möglichkeit, die eigene innere Stärke zu erkennen und zu stärken. Indem man sich durch Kunst ausdrückt, kann man auch seine innere Welt besser wahrnehmen und verstehen. Dadurch ermöglicht Kunst es, Emotionen auszudrücken, innere Konflikte zu lösen und Selbstreflexion zu fördern.

 In deinem Podcast „Gedankenwandel“ konzentrierst du dich mit deinen Gesprächspartnern auf die Frage, „Was für ein Mensch bist du?“ – Was für ein Mensch bist denn du?

Das werde ich oft gefragt und es fällt mir schwer, das in einem Satz zu beantworten. Ich beschreibe mich gerne als bunten Vogel. Ein neugieriger Mensch, der gerne neue Erfahrungen mit spannenden Menschen macht, neue Orte entdeckt und sich von der Welt inspirieren lässt. Das kann Surfen sein, Bogenschießen, Lesen, Meditation, Yoga, über Gott und die Welt sinnieren, Spazieren, Musik machen, Retreats und Seminare besuchen, Boxen, ins Fußballstation gehen, und natürlich Kunst machen.

Wie kann man sich den Entstehungsprozess von einem deiner Werke vorstellen?

Mein kreativer Prozess beginnt oft mit einer emotionalen Resonanz auf ein bestimmtes Thema oder eine Erfahrung. Ich lasse diese Emotionen in meine Arbeit einfließen und arbeite intuitiv mit verschiedenen Materialien, Farben und Kompositionen. Dabei höre ich auf mein Bauchgefühl und lasse die Energie fließen. Es ist ein kreativer Flow, in dem ich mich selbst jedes Mal ein bisschen mehr entdecke.

Wie viele Werke sind bis heute entstanden und wie viel Liter Farbe hast du bis heute verbraucht? 

Kann ich echt nicht genau sagen. Das hat mich bisher aber irgendwie auch nicht interessiert. Viel wichtiger ist mir, was mir die alten Werke sagen. Werke sind immer Zeitzeugnisse einer Lebensphase. Wie ein Tagebuch. Ich bin mein ganzes Leben schon kreativ.

Alleine letztes Jahr, habe ich ein komplettes Rathaus mit 60 Bildern gefüllt. Die waren fast alle während Corona entstanden und selbst das war eine Auswahl. Ich denke mit Zeichnungen, Malereien, Graffiti und Skulpturen sind wir locker bei 500-700 Werken. Das macht unzählige Farbliter, Graffitidosen, Marker, Stifte, Kreiden, Fineliner und was ich sonst noch so alles in meine Hände bekommen habe.

Wie war das Feedback aus deinem Umfeld, als du gesagt hast, dass du Künstler bist?

Ich habe nicht gesagt, dass ich Künstler bin, sondern ich bin Künstler. Das ist eine Haltungsfrage. Wenn du in dir etwas bist, handelst du entsprechend. Und das bist du dann für deine Umwelt. Du sucht und findest dich in dir selbst und manifestiert es dann im Außen.

Aber natürlich hatte ich auch einen Prozess. Als ich für mich entschlossen hatte, die Karriere als Lehrer aufzugeben, war das hart. Und es gab auch Stimmen, die nicht verstanden haben, warum ich „die Sicherheit“ aufgebe. Die Verbeamtung, die regelmäßige, sehr gute Bezahlung, die Gesundheit- und Altersabsicherung.

Diese Stimmen waren aber am lautesten in mir selbst. Meine Familie und meine Freunde haben gemerkt, dass das nicht mein Weg ist und haben mich immer unterstützt. Dafür bin ich ihnen unfassbar dankbar!

Gibt es Künstler oder Kunstwerke, die dich beeinflusst haben?

Definitiv. Als Künstler wird man ständig von anderen Künstlern inspiriert. Die Challenge ist es dabei, bei sich zu bleiben, nicht in der Vergleich zu geraten und gleichzeitig offen zu sein, um zu wachsen und sich zu entwickeln. Es geht also darum, den Einfluss der anderen positiv, konstruktiv und nicht negativ, destruktiv zu nutzen. Jeder der Social Media hat, weiß wovon ich spreche 😉

In letzter Zeit haben mich die abstrakten Arbeiten von Gerhard Richter sehr beeinflusst. Aber auch die Zeichnung von Alberto Giacometti prägen mich seit Jahren. Beide zeigen eine Offenheit und Lockerheit in ihren Arbeiten, die ich unglaublich finde. Dieses innere Haltung des Losgelösten – wie ich es nenne „go with the flow“ – ist mein innerer Kompass im Kreativprozess.

Neben Techniken und künstlerischen Herangehensweisen ziehen mich vor allem Künstler an, die radikal ihren eigenen Weg gehen. Daher fasziniert mich Caravaggio schon seit dem Kunststudium. Über ihn habe ich meine Abschlussprüfung im Staatsexamen gemacht. Die Art und Weiße, wie er gemalt hat, was er gemalt hat, wen er gemalt hat und vor allem auch, wie er gelebt hat, ist an Radikalität kaum zu überbieten.

Ein weiterer Künstler, der mir über die Jahre unfassbar ans Herz gewachsen ist, ist Vincent van Gogh. Es ist nicht nur sein Malstil, sondern auch, wie dieser Mensch sein Leben gelebt hat. Die Tragik und Radikalität spiegeln sich so sehr in seinen Werken wieder, dass ich jedes Mal zutiefst ergriffen bin von diesem Menschen und seiner Kunst.

Und gibt es vielleicht Künstler oder Kunstformen, mit denen du überhaupt nichts anfangen kannst?

Natürlich begegnet mir Kunst, mit der ich nichts anfangen kann, die mich nicht anspricht oder die mir nicht gefällt. Ich weiß aber, dass ich immer nur einen Teil der künstlerischen Arbeit sehe. Gerade in so schnelllebigen Zeiten wie der unseren, bleibt es oft bei einer oberflächlichen Betrachtung einer Sache (oder einem Kunstwerk).

Woher nehme ich mir also das Recht, über etwas zu urteilen, von dem ich nur einen Teil kenne. Ich halte es daher mit Sokrates und sage: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Letztlich ist es mit der Kunst, wie mit allem im Leben, ich kann in mich hineinfühlen und spüren, was es mit mir macht. Ich kann dann reflektieren, warum mir das nicht gefällt.

Somit kann ich mich durch Kunst selbst besser kennenlernen und persönlich wachsen. Als Künstler kann ich diese Erkenntnis wiederum in meinen Kreativprozess einfließenzulassen. Auch zu wissen, was man nicht mag und nicht will, ist wichtig und hilft einem dabei, seinen eigenen Weg zu gehen.

Wie gehst du mit kreativen Blockaden um?

Frühe habe ich mich deswegen verrückt gemacht. Mit der Zeit habe ich aber gelernt, dass Blockaden ganz normal sind und zum künstlerischen Prozess dazugehören. Wenn ich in einer Blockade stecke, versuche ich mich zu entspannen, mir den Druck aus dem Kopf rauszunehmen und mir selbst etwas Gutes zu tun.

Oft gehe ich raus in die Natur, mache lange Spaziergänge, gehe in die Therme, schreibe Tagebuch, lese Bücher, gehe ins Fitness, meditiere, führe tiefe Gespräche mit engen Freunden, zeichne lose vor mich hin, singe, mache Musik und spiele Gitarre. Das hilft mir, den Kopf frei zu bekommen und neue Inspiration zu finden. Für mich ist es wichtig, loszulassen und ohne Erwartungen zu arbeiten.

Wenn ich merke, dass Druck entsteht, der mir nicht gut tut, lasse ich das Werk eine Weile liegen und warte, bis ich den Impuls verspüre, an ihm weiterzuarbeiten. Es ist ein Bisschen, wie in einer Partnerschaft. Unsere Beziehung benötigt dann, so zusagen eine Pause und ein bisschen Abstand. Irgendwann finden wir dann wieder zusammen und unser gemeinsamer Weg geht weiter. Meist in einer tieferen Verbindung, mit mehr Erkenntnis und mehr Verständnis als davor. Somit erfahren meine Kunst und ich selbst als
Mensch mit jedem Werk einen Reifeprozess.

Wie findest du Inspiration für neue Kunstwerke?

Inspiration finde ich überall, im Alltag, in der Natur, in Büchern, Gesprächen mit anderen Menschen und in meinen eigenen Gedanken. Ich versuche, offen und neugierig durch das Leben zu gehen und immer wieder neue Erfahrungen zu sammeln. Diese Erfahrungen sind dann der Kern für meine Kunstwerke.

Findet sich in deinen Werken eine Signatur? Etwas, was du als deine ganz eigene Handschrift bezeichnen würdest?

Die lockeren, gezeichneten Linien und die abstrakten Mischungen aus Graffitilack und Acrylfarbe haben sich über die vielen Jahre meines künstlerischen Arbeitens heraus kristallisiert. Sie sind charakteristisch für meine Kunst.

Welche Rolle spielt die Kunst in der Gesellschaft?

Kunst spielt eine vielfältige Rolle in der Gesellschaft. Sie kann unterhalten, provozieren, inspirieren und Veränderungen bewirken. Kunst macht es möglich, dass Menschen, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Das kann sonst nichts in der Form auf dieser Welt. Dadurch macht sie Unsichtbares sichtbar und regt soziale und kulturelle Diskussionen von Veränderungen an.

Du fingst mit Zeichnungen und Malereien an und bist dann später bei Graffitis gelandet – immer legal?

Mein Führungszeugnis ist leer 😉

Wie stehst du heute zu Streetart bzw. Urban Art?

Ich mag das Radikale, das Wilde, das Direkte an Streetart. Streetart fragt nicht nach, ob sie da sein darf, sondern nimmt sich einfach den Raum und ist da. Das ist der Kern von Kunst.

Darf Kunst alles, oder gibt es Grenzen?

Kunst muss frei sein und keine festen Grenzen haben. Sie muss Raum für kreative Freiheit bieten.

Gibt es etwas, was du auf dem Kunstmarkt gerne ändern würdest?

Ich denke, dass wir durch das Internet schon eine extreme Demokratisierung von Kunst erleben. Das ist ein enormer Gewinn. Jeder Mensch kann seine Kunst im Internet präsentieren, ungeachtet seiner Ausbildung, seiner Vita und der klassischen Instanzen, wie Kuratoren, Galerien etc. Dadurch kommen Künstler in den Fokus der Öffentlichkeit, die vor dem Internet nie zu soviel Popularität erreicht hätten.

Ich wünsche mir dennoch, dass sich die „alte“ Welt der „neuen“ noch mehr öffnet. Man darf aber nicht vergessen, dass der Kunstmarkt immer noch ein Markt ist. Dass dieser den Gesetzmäßigkeiten eines Marktes unterliegt, gefällt vor allem dem aufstrebenden Künstler nicht, aber es ist ok.

Muss Kunst immer eine Botschaft haben oder kann sie auch einfach nur „schön“ sein?

Kunst darf alles und muss gar nichts. Ich kann in allem etwas deuten. Egal, ob der Künstler eine Botschaft bewusst in seinem Werk verarbeitet hat oder nicht. Wenn ich bedenke, wieviel Prozent unserer Handlungen wir bewusst und wieviel wir unterbewusst machen, wird es eh egal, ob jemand bewusst eine Botschaft in seinem Werk ausdrücken wollte.

Generell gilt aber: Ein Kunstwerk drückt immer etwas über den Künstler aus. Und der Künstler entstammt einem Kontext. Dieser Kontext ist immer größer als der Künstler selbst. Der Künstler ist sensibler Mittler. Und was gefällt und was nicht gefällt ist immer subjektiv. Wer mir das nicht glaubt, der möge mal ein Blick in die sozialen Netzwerke werfen.

Hast du einen Tipp für junge bzw. andere Künstler? Oder welchen Tipp hättest du vielleicht selbst gerne früher bekommen?

Folge deinem Herzen! Sei mutig! Sei dankbar. Folge deiner Leidenschaft. Beschäftige dich mit dir selbst und spüre in dich hinein. Was fühlt sich gut an? Was räsoniert mit dir? Zweifel und äußere Erwartungen sind normal. Nimm sie wahr, aber lasse dich von ihnen nicht kontrollieren.

Versuche dich immer ein bisschen besser zu verstehen und bei dir selbst anzukommen. Strebe nicht nach Sicherheit oder äußerer Anerkennung! Alles ist schon da, du musst/darfst es nur finden. Leg dein Handy auch mal weg. Social Media ist gut zur Inspiration, beobachte dich aber dabei und merke, wenn du in den Vergleich kommst. Dann mache dir bewusst, was du alles kannst und wie du dich entwickelt hast.

Und vor allem hör niemals auf zu erschaffen. Jede Phase ist wichtig, auch die, die vermeintlich destruktiv und negativ ist. Der kreativen Prozess ist eine Reise und nicht nur das fertige Endergebnis.

Kannst du schon was über kommende Projekte verraten?

Aktuell beschäftigt mich Spiritualität sehr. Dies wird auf jeden Fall in meine zukünftigen Arbeiten einfließen. Wie genau, wird sich herausstellen. Für mich ist die aktuelle Frage, ob ich dabei komplett abstrakt bleibe oder Themen, die mich faszinieren, genauer darstelle. Eine Tierserie zu schamanischen Krafttieren würde mich zum Beispiel sehr reizen.

Stell dir vor, wir wären ein großes Magazin wie die New York Times – was würdest du der Welt gerne noch sagen?

In dieser Welt geht es darum, sich selbst und die Welt zu entdecken. Jeder Mensch hat ein einzigartiges Potential und einen Grund, warum er auf dieser Welt ist. Ich träume von einer Welt, in der jeder ganz er selbst sein kann. Eine Welt, in der jeder sich selbst, die anderen und die Welt intensiv spürt.

 

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Weitere Informationen

Zur Webseite des Künstlers: C.Morys aus Stuttgart

Mehr über die Kunstkurse und Pädagogik von Chris Morys: https://feelartflow.com/

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