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Stillleben mit Mohn und schwarzer Kanne
Bayer Kultur schenkt dem MDBK Leipzig Gemälde von Oskar Moll

Bayer Kultur schenkt dem MDBK Leipzig Gemälde von Oskar Moll Die Bayer Kultur schenkt dem Museum der bildenden Künste Leipzig
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SCHENKUNG MIT SIGNALWIRKUNG! Das 1937 als ‚entartet‘ beschlagnahmte „Stillleben mit Mohn und schwarzer Kanne“ (1916) von Oskar Moll kehrt als Schenkung der Bayer AG ins MdbK zurück.

Bayer Kultur schenkt dem MDBK Leipzig Gemälde von Oskar Moll

Die Bayer Kultur schenkt dem Museum der bildenden Künste Leipzig das Gemälde Stillleben mit Mohn und schwarzer Kanne (1916) von Oskar Moll. In Zusammenarbeit mit der Provenienzforschung des MdbK konnte zweifelsfrei geklärt werden, dass das Gemälde 1937 als ‚entartet‘ aus den Sammlungen des Museums entfernt wurde. 1951 hatte die Kulturabteilung der Farbenfabriken Bayer Leverkusen das Werk im Kunsthandel rechtmäßig erworben – nun entschied sich das Unternehmen, das Stillleben an das MdbK zurückzugeben.

„Stillleben mit Mohn und schwarzer Kanne“ von Oskar Moll

Das Werk „Stillleben mit Mohn und schwarzer Kanne“ von Oskar Moll (1875‐1947) aus dem Jahr 1916 ist von hoher malerischer Qualität und ein wunderbares Beispiel für die Matisse‐Rezeption im deutschen Expressionismus. Oskar Moll hat bei Lovis Corinth und Henri Matisse Malerei studiert und 1908 seine private Malschule in Berlin nach letzterem benannt. 1918 wurde er als Professor nach Breslau berufen und baute die dortige Kunsthochschule bis zu ihrer Schließung 1932 zu einem Zentrum der Avantgarde auf. Moll übernahm danach für kurze Zeit eine Malereiklasse an der Düsseldorfer Kunstakademie, gehörte jedoch zu den ersten Künstlern, die 1933 von den Nationalsozialisten entlassen wurden und war mit mehreren Bildern in deren Ausstellung „Entartete Kunst“ vertreten. Sein „Stillleben mit Mohn und schwarzer Kanne“ wurde 1951 von der Bayer AG über den Kölnischen Kunstverein erworben und gehörte zu den ersten Ankäufen für die Kunstsammlung des Unternehmens nach Kriegsende. Das Bild steht exemplarisch für das damalige Verständnis von kultureller Verantwortung: „Wiedergutmachung“ und das Bekenntnis zur modernen Kunst prägten sowohl das Programm der Bayer Kulturabteilung als auch das Sammlungskonzept der 1950er bis 1960er Jahre. Die als „entartet“ diffamierten Künstler des Expressionismus wurden in Ausstellungen rehabilitiert und ihre Werke für die Ausstattung der Firmenzentrale und Büros erworben. Neben Moll wurden um 1951 zum Beispiel Werke von Christian Rohlfs (aus dem Nachlass) und Max Beckmann (durch die Vermittlung des Düsseldorfer Kunstvereins) angekauft. Das hervorragende Konvolut der Klassischen Moderne bildet bis heute einen Schwerpunkt der Sammlung Bayer und zeigt, was „industrielles Mäzenatentum“ für die damalige Kultur‐Leitung bei Bayer sowie für den neu gegründeten Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI meinte. Im Rückblick zeigt sich im Zusammenhang mit den Ankäufen jedoch ein blinder Fleck: In das Bemühen um Rehabilitierung wurden die ersten Förderer und Sammler der Moderne, die durch den NS‐Staat enteignet wurden, nicht inbegriffen. Die Provenienz der Kunstwerke war in den Jahrzehnten nach 1945 weder für die Händler noch für die Sammler von Interesse. Erst Restitutionsprozesse und die „Causa Gurlitt“ haben zu einer meist zögerlichen und stets mühevollen Aufarbeitung geführt, wobei die Recherche der Provenienzen oft dem konservativen Sammlungsinteresse des Erhalts folgt. Gilt für die öffentlichen Sammlungen inzwischen eine Verpflichtung, so bleibt für Privat‐ und Unternehmenssammlungen die wissenschaftliche Forschung zur eigenen Sammlung freiwillig. Dabei sollte außer Frage stehen, dass eine Unternehmenssammlung nicht nur eine kulturelle Bereicherung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung bedeutet. Bei Bayer wurde daher 2019 mit der Provenienzforschung zu den Werken, die vor 1945 entstanden und in der Sammlung vertreten sind, begonnen. Ist die Recherche bei Papierarbeiten nach den Vorbesitzern oft sehr mühsam, so konnte für das Stillleben von Oskar Moll schnell nachgewiesen werden, dass das Bild 1920 vom Museum der Bildenden Künste Leipzig vom Künstler erworben und 1937 als „entartete Kunst“ entfernt und verkauft wurde.

Rechtlich gesehen keine Raub‐ oder Beutekunst

Obwohl sich die Provenienz des Bildes nach Gerhard Leistner, der das WVZ des Künstlers bearbeitet,  „wie ein Krimi“ liest, folgt auf der Grundlage des gegenwärtigen Rechts daraus keine Konsequenz. Weder gilt für private Sammlungen die „Washingtoner Erklärung“ noch handelt es sich um Raub‐ oder Beutekunst. Da das Stillleben von Oskar Moll 1937 in staatlichem Besitz war, konnte der NS‐Staat darüber nach Belieben verfügen und der Erwerb durch die Bayer AG nach Kriegsende war rechtmäßig. Doch neben der juristischen Frage bleibt die moralische Bewertung: Aus Sicht von Bayer gehört das Bild wieder in den Besitz des Museums, das sich schon während der Weimarer Republik
für die Moderne einsetzte und 1937 dieser Sammlung durch einen Unrechtsstaat beraubt wurde. Daher ist es für das Unternehmen selbstverständlich, Oskar Molls Stillleben proaktiv und unbürokratisch in Form einer Schenkung an das Museum der Bildenden Künste Leipzig zurückzugeben. Im besten Fall wird das Werk damit zu einem Beispiel für ein neues Verständnis von gesellschaftlicher und kultureller Verantwortung im 21. Jahrhundert.

Weitere Informationen

Der offizielle und öffentliche Schenkungsakt mit

        Thomas Helfrich/Leiter Bayer Kultur
        Dr. Skadi Jennicke/Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur der Stadt Leipzig
        Prof. Dr. Gilbert Lupfer/Ehrenamtlicher Vorstand Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg
        Dr. Birgit Brunk/Provenienzforscherin MdbK

findet statt am kommenden Dienstag, 21. Januar 2020, um 18 Uhr.

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