"Richild Holt is truly a journalist of the soul." - O. Aldon James, 1986-2011 President des National Arts Clubs, New York City.
Werk der Woche #58 – „Falling“ von Richild von Holtzbrinck
In unserer Serie „Werk der Woche“ machen wir auf Kunstwerke aufmerksam, die einen besonderen Hintergrund haben, sich für einen guten Zweck einsetzen, zur Diskussion einladen oder und in unseren Augen einfach zu wenig Beachtung erhalten. Zuletzt berichteten wir über das Legokunstwerk „Gold Digger“ von Moritz Morbach.
In den letzten Tagen haben wir uns expliziert mit Künstlern und Künstlerinnen auseinandergesetzt, die sich mit ihrer Kunst für die Krebsforschung einsetzen und oder für den Kampf gegen diese Krankheiten engagieren. Im Rahmen unserer Recherchearbeiten sind wir auf die Künstlerin Richild von Holtzbrinck aufmerksam geworden. Seit Mitte der 1980er-Jahre nutzt sie den Künstlernamen Richild Holt, weshalb wir diesen im Folgenden verwenden.
»Zwischen dem Künstler und der Leinwand, zwischen einem Augenblick und dem nächsten, zwischen Leben und Tod existiert die Sehnsucht nach etwas, das Zeit überdauert.« – Richild Holt
Im August 1987 diagnostizierten Ärzte bei Richild Holt Brustkrebs. Die niederschmetternde Prognose lautete, dass mit einer Lebenserwartung von zwei Jahren gerechnet werde. Wie sich Gott sei Dank zeigte – ein Fehlurteil. In ihrem linken Busen befanden sich 3 verschiedene Tumoren, doch hatte der Krebs nicht gestreut, es gab keine Metastasen. Um das Risiko einer erneuten Brustkrebserkrankung auszuschalten, ließ die Künstlerin schließlich auch ihre rechte Brust chirurgisch entfernen. Einen Aufbau wollte sie nicht.
Wie sich ihr Körper durch die Krankheit verändert hat, hielt sie mit Pinsel und Farbe auf Leinwand fest. Die einzigartigen Selbstportraits, die sie als Malerin Richild Holt anfertigte, entstanden zwischen 1986 und 1990 und zeigen die Künstlerin vor und nach ihren Brustkrebsoperationen. Es sind beeindruckende Arbeiten, die keine Parallele auf dem Kunstmarkt haben.
Frau Richild Holt teilte uns mit: „ … diese autobiografische Serie der Krebsbilder plus 15 Zeichnungen, die ich während meiner Krankenhausaufenthalte von – zumeist – Mitpatientinnen gemacht habe, gingen als Schenkung an das DKFZ (Deutsches Krebs Forschungs Zentrum) Heidelberg. Sie hängen mit Oberlicht direkt vor dem Rektorat im Direktionsgebäude. Es ist der Ort, wo sie hingehören.
Auf der Webseite des DKFZ heißt es: „Wir sind Richild von Holtzbrinck außerordentlich dankbar für ihre großzügige Spende und die schöne und bewegende Werkgruppe, die wir dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich machen“, sagt der Kaufmännische DKFZ-Vorstand Prof. Dr. Josef Puchta zur Ausstellungseröffnung. „Diese sehr berührende Kunst ermutigt uns im Deutschen Krebsforschungszentrum, weiterhin intensiv und beharrlich die Krebsforschung voranzubringen und mit allen Kräften daran zu arbeiten, dass Krebs noch besser behandelbar und heilbar wird“.
Die Künstlerin ist im Patientenbeirat des DKFZ und gelegentlich bekommt die Künstlerin auch Anfragen und Einladungen von Kliniken, wie nun beispielsweise vom Universitätsklinikum Graz, um vor Patienten und ihren Angehörigen zum Thema Brustkrebs zu sprechen und sich befragen zu lassen. Honorarfrei – denn an ihrem Krebs will die Künstlerin nicht verdienen.
Richild Holt ist aber keineswegs auf ihre „Krebsbilder“ zu reduzieren, weshalb wir nun auf eine Arbeit von Holt aufmerksam machen möchte, die nicht im direkten Zeitraum der Diagnose entstanden ist.
„Falling“ von Richild Holt
Das Kunstwerk „Falling“ aus dem Jahr 2003 gehört zu einer Serie aus der „New Yorker Zeit“ der Künstlerin. 23 Jahre lang ist sie zwischen Stuttgart und New York hin- und hergeflogen. Ihre damalige Wohnung war im 57. Stock des City Spire, 56. Straße zwischen 6th and 7th Ave. und „overlooking the Park“. Die Fenster in alle 4 Himmelsrichtungen ermöglichten der Künstlerin einen ganz eigenen Blick auf die Metropole.
„Von dort oben sind die Menschen so klein in Bezug auf die Hochhäuser…die Bilder aus der Serie sind übrigens alle „richtig“ gemalt, die grünen Fenster des Trump Tower scheinen tatsächlich grün zu sein und die Proportionen stimmen. Die Menschen habe ich darüber gelegt, sodass eine Art von Abstraktion entstanden ist. Menschenskizzen – genauso wichtig genommen wie die Hochhäuser.“ – hält die heute 80 Jahre alte Künstlerin über „Falling“ fest.
Für das Werk verwendete die Künstlerin Ölfarben auf Leinwand. Das Gemälde misst 107cm * 64cm. Die meisten Werke aus der damaligen Schaffensphase der Künstlerin befinden sich heute im Privatbesitz, aber auch in namhaften Häusern wie dem Museum of Women in the Arts, Washington, DC; der Universität Stuttgart, dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Baden-Württemberg oder dem National Arts Club in New York.
1989 wurde Richild Holt eine umfassende Einzelausstellung im National Arts Club in New York gewidmet, was bis dato die erste Einzelausstellung für einen lebenden Nichtamerikaner im NAC war.
Das Werk „Falling“ steht noch zum Verkauf. Einen Einblick in ihre Werke gibt die Künstlerin auf ihrer Webseite, www.richildholt.de . Sie arbeitet eng mit Baron Maximilian von Koskull zusammen. Dieser ist auch der Herausgeber des Buches „Farbe und Linie“ , das am 10. Juni 2022 im Literaturhaus Stuttgart vorgestellt wird. Baron Koskull verfasste dafür die Vita der Künstlerin.
Richild Holt
Richild Holt wurde am 12. September 1941 in Kärnten geboren. Sie studierte in Wien, an der New School for Social Research (New York City) und an der Kunstakademie Stuttgart. Sie selbst und ihre Kunstwerke reisten um die halbe Welt; Einzelausstellungen in New York, Paris, Wien, Stuttgart, Zürich, Basel und Jerusalem sind bei der tiefgründigen Künstlerin nur die Spitze des Eisbergs..
Sie lehrte von 1995 – 2001: Akt, Malen und Zeichnen an der VHS Stuttgart und parallel Freies Zeichnen an der Merz-Akademie Stuttgart. Von 2005 bis 2007 unterrichtete sie Akt: Malen und Zeichnen an der Kunstakademie Esslingen und seit 2008 gibt sie Workshops für Psychiatriepatienten.
Richild Holt ist Ehrenmitglied der „Deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks“ (DGPA) und Ehrenmitglied des National Arts Club, New York. Bis 2005 war Richild Holt Vorstandsmitglied des Galerievereins der Staatsgalerie Stuttgart; es folgte die Ehrenmitgliedschaft.
Heute lebt und arbeitet die Künstlerin in Stuttgart und München und kann mit 80-Jahren einen bewegenden Lebenslauf vorweisen, die Künstlerin zeigt, was möglich ist und gibt Hoffnung, das auch schwerwiegende Diagnosen ein Happy End nehmen können. Es ist wohl mehr als angemessen zu sagen, dass ihre Bilder wirklich Hoffnung geben, auch wenn sie auf den ersten Blick vielleicht eher traurige Namen haben, wie „Falling“.
Die Künstlerin über ihre Signatur…
„Falling“ ist signiert. Das ist nicht bei allen Werken der Fall, denn am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn, setzte die Künstlerin noch nicht unter jedes Werk eine Unterschrift. Wir haben die Künstlerin gefragt, warum Sie am Anfang ihrer Karriere ihre Werke nicht signierte.
„Stimmt, anfangs hab ich nicht signiert, ich wollte malen, mein Talent, das ich als Verpflichtung empfand, entwickeln, aber n i c h t an dem Kunstzirkus teilnehmen. Dann jedoch wurde ich eingeladen zu einer Ausstellungsbeteiligung im Jahr 1987. Ich habe als einziger von allen Teilnehmern verkauft und zwar so viel, dass die Galerie Mussavi Arts Center mir eine Einzelausstellung angeboten hat. Die fand im gleichen Jahr statt. Dazwischen kam aber meine Krebserkrankung… Statt in eine Reha zu gehen wollte ich jedoch diese Ausstellung machen. Ich hatte den Ärzten ja nicht geglaubt, dass ich wirklich nicht sterben würde.
Die ersten beiden gleichlautenden Diagnosen von 2 Chefärzten hatten „2 Jahre“ gelautet. So wurde während meines ersten Klinikaufenthalts der Katalog gemacht, täglich fuhr ein ledergekleideter junger Mann mit dem Motorrad und mit den Blaupausen hin und her zwischen Stuttgart und Tübingen…“
… und der Rest ist Geschichte. Eine Geschichte, die Hoffnung macht und die es definitiv wert ist, in einem Buch festgehalten zu werden.
Weitere Einblicke in das Leben und Schaffen von Richild Holt sind auf der Webseite Kunsthandel-Koskull zu finden“
Farbe und Linie von Richild Holt
Das Buch erscheint im Schillo-Verlag München. Zur Buchvorstellung am 10. Juni 22 wird Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Josef Kuschel von der Universität Tübingen sprechen und ein Interview mit der Künstlerin führen.
Das Buch liegt uns bereits vor und eine Buchrezension ist in Arbeit. Doch wir können jetzt bereits vor weg nehmen:
Richild Holt hat mit ihrem künstlerischen Talent einiges geschafft, was nicht viele Künstler von sich behaupten können, unter anderem auf ein schwieriges Thema aufmerksam zu machen, ohne dabei auf dieses Thema reduziert zu werden. Zusätzlich hat die Künstlerin unter Beweis gestellt, das es sich lohnt, in aussichtslosen Situationen weiter zu machen und wie wichtig es ist, als Künstler hinter sich selbst und seinen Werken zu stehen.
Ein künstlerischer Werdegang ohne Beschönigung und ohne Selbstbeweihräucherung.
ISBN: 978-3-944716-27-5
Weitere Informationen
Titelbild: „Falling“ (2003) Öl auf Leinwand/ 107*64cm/Richild Holt. Fotograf: Ralf Grömminger
Mehr über die Künstlerin: www.richild-holt.de
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