Die Fotokünstlerin CP Krenkler über New York, St. Pauli, Corona, Gentrifizierung und Privat. Wer neugierig ist, findet hier das Interview welches CP Krenkler in ihre eigenen Worte gefasst hat und welches nie veröffentlicht wurde. Aus rechtlichen Gründen wurden die Fragen in Stichworten wiedergegeben oder geringfügig im Wortlaut verändert..,
Unveröffentlichtes Interview von CP KRENKLER
Die Fotokünstlerin CP Krenkler berichtete in unserer Kategorie „Wie man nicht mit Künstlern umgeht…“ über ihre (schlechte) Erfahrung mit einem Journalisten. Das Journalisten und Interviewpartner nicht immer sofort auf einen gemeinsamen Nenner kommen und auch einmal Missverständnisse in Gesprächssituationen passieren, ist vermutlich normal. Daher hat die Künstlerin CP Krenkler also viel Arbeit in das Interview gesteckt und die von ihr falsch wiedergegeben Antworten in ihre Worte gefasst. Das Interesse des Journalisten war nach der Kritisierung seiner Arbeitsweise allerdings nicht mehr vorhanden. Damit CP Krenkler nicht umsonst gearbeitet hat und wir ihre redigieren Antworten mit Freude gelesen haben, hängen wir diese an. Aus Copyright Gründen, reduzieren wir die Fragen auf die relevanten Stichwörter.
CP Krenkler im Interview
Heimweh / Sehnsucht, St. Pauli?
Manchmal habe ich tatsächlich Heimweh. Aber das hat auch etwas Schönes. Wenn das Gefühl hochkommt, weiß ich, dass ich in Hamburg immer noch zuhause bin.
Wegen Corona in NYC fest gesessen oder aus Not Tugend?
Beides. Ich wollte vorigen März tatsächlich nur für sechs Wochen nach New York und dann sind vier Monate daraus geworden. Es war eine intensive Zeit. Das Massensterben hat mir emotional sehr zugesetzt. Innerhalb kürzester Zeit starben 300 Menschen pro Tag, dann waren es schon Tausend und dann brach das Bestattungswesen zusammen. Es ging für uns in den ersten Wochen knallhart darum, am Leben zu bleiben. Als ich wieder zurück in Hamburg war, habe ich mich verloren gefühlt, da niemand die Erfahrungen teilen konnte, die ich gemacht habe. Ich kam mir plötzlich oft fremd in meinem alten Zuhause vor.
Deshalb zurück nach NYC?
Auch. Aber in Wirklichkeit hatte ich keine Wahl. Mir war klar, dass Deutschland im Winter nicht so viel Glück haben wird wie im Frühjahr. Wäre ich nicht zurück nach New York geflogen, dieser Winter in Deutschland hätte definitiv meine wirtschaftliche Existenz zerstört. In diesem Sinne bin ich derzeit ein Wirtschaftsflüchtling. Ich bin solo-selbständige Künstlerin und bin nach fast einem Jahr Pandemie zu der traurigen Erkenntnis gekommen, dass wir vom deutschen Staat diskriminiert werden.
Meint?
Die Situation für Solo-Selbständige ist verflucht hart. Mir sind sind seit Beginn der Pandemie 34 926,- € Einnahmen weggebrochen, weil Kunden zahlungsunfähig geworden sind. Im Frühjahr habe ich 10.000 Euro Soforthilfe bekommen und hatte plötzlich die Zuversicht, dass der deutsche Staat für uns da sein wird. Pünktlich zum zweiten Lockdown kam die Rückzahlungsaufforderung. Die Soforthilfe war nun also plötzlich an Bedingungen geknüpft, die mir im Frühjahr so nicht bewusst gewesen sind. Ausgeben durfte ich die Soforthilfe beispielsweise einzig und allein für Betriebskosten. Nicht einmal für Geschäftskosten. Betriebskosten decken lediglich die monatlichen Ausgaben, wie beispielsweise Miete für Geschäftsräume. Da liegt auch das Missverständnis, ich habe nicht zwischen Betriebs- und Geschäftskosten unterschieden. Besonders bitter ist jedoch, dass uns Soloselbstständigen keine Cent für die Miete oder etwa die Krankenkasse zugestanden wird. Vor allem durfte ich nicht einen einzigen Cent für Essen ausgeben. Ein Angestellter darf von der Pandemiehilfe seine Miete bezahlen, er darf Essen kaufen, er darf sie sogar ungefragt und ohne sich rechtfertigen zu müssen ausgeben für was auch immer ihm der Sinn steht. Gleichzeitig pumpt der Staat bedingungslos Geld in die großen Konzerne. Es ist mir völlig bewusst, dass Deutschland die großen Firmen braucht. Natürlich muss der Staat die „retten.“ Aber ich frage mich, warum hier keine Bedingungen gestellt werden? Egal wie viel Gewinn die machen, die müssen nix zurück zahlen. Gar nichts. Außerdem hätten der Schutzschirm knallhart an Klimaziele gekoppelt werden müssen.
Was macht die Situation NYC leichter ?
Die New Yorker haben Eigenschaften, die den Umgang mit der Pandemie einfacher machen. Sie übernehmen wahnsinnig viel Eigenverantwortung und sind kulturell bedingt sehr viel achtsamer und höflicher im Umgang. Die Menschen helfen sich gegenseitig. Im amerikanischen gibt es zudem den Ausdruck: „Don´t think, act“, nicht lange denken, machen. Es ging bei uns am Anfang um das pure Überleben, da denkt man nicht, da handelt man. Also haben wir alles Erdenkliche getan, was uns auch nur möglicherweise schützen könnte. Wir haben nicht diskutiert, ob ein Mund- Nasenschutz nun hilft oder nicht. Den Luxus hatten wir nicht. Wir haben uns sofort ein Bandana umgewickelt. Ohne Handschuhe sind wir nicht mehr aus dem Haus, alles was in die Wohnung kam, wurde von uns an der Wohnungstüre desinfiziert.
Woher die Idee zwischen St. Pauli / NYC zu pendeln?
(lacht) Eine Idee war es nicht, das Leben geht ja seine eigenen Wege. Ich hatte 2015 mein Diplom in der Tasche und wusste, es muss beruflich irgendwie weitergehen. Ich habe Rücklagen gespart und bin nach New York. Ich hatte gedacht, vielleicht schaffe ich es, ein paar Foto-Aufträge zu bekommen und mich einige Zeit durchzuschlagen. Alles kam anders und zwar viel größer und besser als ich es mir je getraut hätte zu träumen. Ich sagte, ich sei Fotografin, New York antwortete: „Du bist Künstlerin.“ Die Fotoaufträge, für die ich mich bewarb, bekam ich nicht, stattdessen kauften mir die Personen, die mich ursprünglich buchen wollten, Fotos in Form limitierter High End Prints ab. Plötzlich verdiente ich fast ausschließlich mit Kunst mein Geld und konnte davon leben. Seitdem finanziere ich mich über freie Kunstprojekte, sowie in New York als auch in Hamburg.
Warum Hamburg, nicht Berlin oder München?
Hamburg war tatsächlich Zufall, ich wollte ursprünglich nach Berlin. Ich war damals in Punkerkreisen unterwegs, die Stuttgarter Szene war mit der Berliner extrem gut vernetzt. Ich bin sieben, acht Jahre ständig in Berlin gewesen, hatte da viele Freunde. Mit 26, ich arbeitete damals schon als selbständige Fotografin in Stuttgart, kannte ich Berlin mindestens so gut wie Stuttgart und hatte das Bedürfnis nach etwas Neuem. Ich besuchte einen Freund in Hamburg und stellte fest, dass in genau den vier Tagen, für die ich meinen Flug gebucht hatte, die Mappenabgabe an der HFBK ausgeschrieben war. Es war das aller erste Mal Hamburg für mich. Ich habe also einen Stapel Abzüge in die Tasche geschmissen und auf dem Boden seines Wg-Zimmers eine Auswahl für die Bewerbungsmappe zusammengestellt. Abgegeben, Angenommen. Manchmal entwickeln Zufälle eine magische Kraft.
Vertrauen der Menschen / sehr private, intime Fotos?
Es ist wohl tatsächlich ein Talent von mir oder besser gesagt eine Gabe, dass mir Menschen schnell vertrauen, das war schon immer so. Mit zwanzig hat mich das oft irritiert, dass Leute mir oft sofort alles über sich erzählt haben. Bis mir klar wurde, dass sie das nur bei mir tun. Bei mir beichtet sogar der katholische Priester. Ernsthaft. Ich denke aber, dass es vor allem daran liegt, dass ich Vertrauen wahnsinnig ernst nehme und Menschen immer auf Augenhöhe begegne. Ich verurteile nie. Wenn etwas so eine tiefe Lebenseinstellung ist, spüren das die Menschen. Als ich mit der Polizei unterwegs war, hatten wir mal einen Einsatz wegen häuslicher Gewalt. Der Mann hatte seiner Frau Schläge angedroht, es stand Vergewaltigung im Raum. Ich hielt mich im Hintergrund. Irgendwann, als die Polizisten gerade abgelenkt waren, meinte die Frau: „Du darfst mich übrigens fotografieren.“ Ich habe in meinem Leben vieles erlebt und bewältigen müssen, wohl etwas mehr als der normale Mittelschichtsbürger mit einem glatten Lebenslauf. Das spüren die Menschen.
Sie kritisieren Entwicklung / St. Pauli. Was war früher (Frauenhandel, Gewalt, Kriminalität) besser als heute mit Theatern, Musikclubs, Restaurants?
Es ist ein Ausverkauf, der auf St. Pauli stattfindet. Mir geht es nicht darum, das Alte zu glorifizieren oder zurück zu holen. Es geht darum, dass St. Pauli durch seine Geschichte einzigartig ist. St. Pauli war immer ein Zufluchtstort für Menschen, die anders sind. Dadurch hat dieser Stadtteil diese unglaubliche Vielfalt bekommen. Durch die fragwürdige Mietenpolitik und die unangemessenen Gewerbemieten verschwindet diese Vielfalt immer mehr. Ich habe Angst, dass am Ende nur noch der Ballermann überleben wird. Mit Trash und billigem Alkohol lässt sich die meiste Kohle machen. Viele kleine Läden und besondere Läden sind in der Vergangenheit kaputtgegangen, wie zum Beispiel das „Home of Burlesque.“ Die Miete wurde innerhalb von drei Jahre von 1800,- auf 4000,- erhöht. Also mehr als verdoppelt. Die letzte Mieterhöhung wäre einfach nicht mehr zu erwirtschaften gewesen. Der Laden hatte ja nur 50qm. Je mehr dieser kleinen Läden zumachen müssen, umso mehr kippt die Stimmung auf St. Pauli. Die Entwicklung geht ja eben nicht in Richtung Theater, Restaurants und Kultur sondern in Richtung Komasaufen.
Manhattan / Brooklyn Vorbild für eine moderne Entwicklung durch Gentrifizierung?
Die New Yorker freuen sich nicht gerade über die Gentrifizierung. Beileibe nicht. Gentrifizierung bedeutet letztlich nichts anderes, als dass die Menschen, die den Mehrwert (bunter, attraktiver Stadtteil) schaffen für diesen auch noch zahlen müssen. Das ist doch absurd? In jedem Fall schreiend ungerecht. Aber so funktioniert Kapitalismus. Nicht der, der arbeitet macht Gewinn, sondern der, der das Kapital stellt. Nicht die Menschen, die den Stadtteil gestalten, sondern die, denen die Immobilien gehören, sahnen ab.
leeres St.Pauli vs. leeres NYC…
Ich habe lange drüber nachgedacht, warum ich es nicht aushalten würde, St. Pauli im Lockdown zu sehen. St. Pauli ist mein Zuhause, meine Heimat, da bin ich emotional näher dran. Deshalb bricht es mir das Herz, St. Pauli sterben zu sehen und ich fürchte, genau das passiert gerade. Bei New York wusste ich von Anfang an, dass New York das schaffen und wieder aufstehen wird. Dieses Urvertrauen, fehlt mir in Bezug auf St. Pauli. St. Pauli ist kleiner, verletzlicher. Ich weiß nicht, wie St. Pauli aus der Pandemie rauskommen wird. New York konnte ich außerdem fotografieren, weil diese wundervolle Stadt, selbst wenn sie am Boden liegt, noch diesen Stolz und diese Stärke ausstrahlt. New York hat eine Erhabenheit, die es selbst in der schlimmsten Katastrophe nicht verliert.
CP KRENKLER PERSÖNLICH
Burger vs. Fischbrötchen
…selbstverständlich die Fischbrötchen! Am liebsten mag ich Matjes mit Zwiebeln. Unverfälscht, also nicht frittiert und in Mayo ertränkt.
Wenn ich nicht fotografiere….
…dann schreibe ich. Ich schreibe viel. Zu fast jedem Projekt existieren Texte und Essays. Ich sage immer, dass ich mit Bildern zeige, was sich nicht in Worten ausdrücken lässt und mit Worten beschreibe, was die Kamera nie festhalten könnte.
Zeit für Hobbys…
… Hobby ist ein fürchterliches Wort (lacht), ich habe nur Leidenschaften: Fotografieren, Kunst und Punk-Rock.
Freundschaft bedeutet mir….
…wahnsinnig viel. Wenn ich jemanden in mein Herz geschlossen habe, behalte ich ihn dort. Meine Freunde müssen nicht perfekt, aber ehrlich mit mir sein.
Mein Lieblingsplatz in Hamburg ist….
…Planten und Bloomen.
Mein Lieblingsplatz in New York.…
…ist mein Fahrrad. Es gibt keinen Ort in New York, an den es mich noch nicht gebracht hätte.
Weitere Informationen
Titelbild: „Esso-Haus“ – St.Pauli – by CP Krenkler
Mehr über CP Krenkler: https://krenkler.eu/
Limitierte Fine Art Prints der Künstlerin bei uns im Shop: Lockdown in New York & Pandemic City
Unsere aktuelle digitale Ausstellung: „Die Sonne scheint für Alle“ von Julien Bouzoubaa
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