"Wir sind es jedem echten Künstler, der Bleibendes geschaffen hat, schuldig, sein Werk vor dem Vergessenwerden zu bewahren." -Paul Schibler
Hella Ridder: Abstraktion als Sprache der emotionalen Reflexion
1974 in Daun in der Eifel geboren und bereits als Teenager künstlerisch entdeckt, wurde Hella Ridder frühzeitig individuell gefördert und in ihrer persönlichen Entwicklung bis ca. 2001 durch den deutschen Künstler H. Rötter begleitet. Die Hinwendung zur abstrakten Malerei als emotional und intuitiv geleiteter Ausdrucksmöglichkeit der Künstlerin erfolgte bereits in dieser ersten Schaffensperiode. Auf dem soliden Fundament künstlerischer Ausbildung entwickelten sich schnell ein individueller Stil und Duktus, die auf fortwährende Entfaltung neuer Ausdrucksformen und Erfahrungen mit dem Ziel einer beständigen Veränderung künstlerischen Schaffens in Abstraktion angelegt sind. Die Künstlerin lebt nach Stationen in Istanbul, Rheinbreitbach und Bonn heute in Bergisch Gladbach.
Die Künstlerin über ihr Werk
Die abstrakte Landschaft als Hinwendungsmöglichkeit des Individuums zum inneren Licht war für mich erster Ausgangspunkt künstlerischer Betrachtungen. Daraus entwickelte sich meine Neugierde auf das Durchdringen emotionaler Zustände und Erfahrungen, denen wir in der beständigen Auseinandersetzung mit unserer Umwelt ausgesetzt sind. Diesem Sein einen intuitiven Ausdruck zu verleihen und dem Betrachter in einem magischen Moment der Interaktion mit dem Kunstwerk einen Zugang zu diesem jeweiligen emotionalen Zustand und damit ein tiefes Durchdringen der eigenen Individualität zu ermöglichen, ist für mich derzeit Schaffensantrieb und Inspiration.
Ein Essay von Hella Ridder – Abstraktion als Sprache der emotionalen Reflexion
In der von Diversität, Zerrissenheit und Gegensätzlichkeit geprägten Welt des jungen 21. Jahrhunderts ist die Kunst von der gleichen Ausdrucksfülle, der Vielfältigkeit der Möglichkeiten und Wahrheiten geprägt wie die Menschheit als Ganzes in der sie umgebenden Welt, Wissenschaft und Wirklichkeit.
Alles ist möglich, wenig fixiert oder vorgeschrieben.
Die Regel ist die Selbstentfaltung und -entwicklung und im günstigsten Fall gilt dabei die Einschränkung, dass Rechte und Freiheit anderer Individuen ebenso wenig beeinträchtigt werden dürfen durch unser Handeln wie wir selbst.
Gleichzeitig sind wir zutiefst verunsichert in dieser Welt voller Möglichkeiten.
Uns und das Selbst zu beschreiben, zu reflektieren, uns einen Spiegel der Selbsterkenntnis vorzuhalten, war schon immer ein Wesen der Kunst, im Idealfall verbunden mit der Schönheit des geschaffenen Objektes, das den Betrachter in einem magischen Moment der Interaktion die kurze Berührung des Ewigen erlaubt.
Warum also soll in dieser Diversität und in den gleichzeitig unendlichen Möglichkeiten künstlerischen Schaffens gerade die Abstraktion als Sprache der emotionalen Reflexion auf den Plan treten?
Die fundierte Antwort auf diese Frage – bejahend oder verneinend – soll den Kuratoren, Kunsthistorikern, Kunstkritikern überlassen bleiben.
Meine eigene Antwort ist einzig aus meinem eigenen künstlerischen Schaffen und Werk begründet: Meine individuelle künstlerische Wahrheit, die keinerlei Anspruch auf Geltung außerhalb der Subjektivität in Anspruch nimmt.
Der emotionale Zustand, den ich verarbeiten, beschreiben und für den Betrachter nachfühlend erlebbar machen möchte, kann entweder durch meine eigene Begegnung mit meiner Umgebung ausgelöst sein – wie z. Beispiel dem überwältigenden Gefühl, das beim Erleben einer Landschaft entstehen kann, das mit dem Heraufdämmern und der unbezwinglichen Kraft einer neuen Jahreszeit verbunden ist („Powers of a new Spring rising“) in einem konflikthaften Erleben einer Arbeits- oder Alltagssituation („Decisions and Consequences), vielleicht in einer momentanen Blockade („Inner Blocks and Boundaries“) begründet sein, sich in einem vorübergehenden emotionalen Zustand widerspiegeln oder sich der Fokussierung auf verschiedene emotionale Spannungsfelder und Ziele widmen.
Stets geht es mir darum, den situativen emotionalen Zustand zu durchdringen, zu reflektieren und in der Abstraktion so zu verarbeiten, dass eine Sprache entsteht, in der meine Emotionalität in diesem besonderen Moment für den offenen Betrachter ebenfalls erlebbar wird.
Daraus ergibt sich zwingend, dass in der Vielfältigkeit meiner Bilder immer dann eine Brücke zwischen Betrachter, Bild und Künstler entstehen kann, wenn vergleichbare, ähnliche oder vielleicht auch ganz andere Emotionen auf beiden Seiten vorhanden sind, so dass über das Bild in einer Sprache der Abstraktion ein Dialog möglich wird…
Da das emotionale Erleben selbst kein objektivierbarer, sondern stets ein individueller, von unserer Persönlichkeit und Lebenswirklichkeit geprägter Zustand ist, bleibt es der wissenschaftlichen Beschreibung letztlich entrückt, muss metaphorisch dargestellt, letztlich aber immer empfunden werden.
Die Reflexion des Zustandes selbst eröffnet uns die Möglichkeit, innere Wirklichkeit in verbale Sprache zu übersetzen, die dabei auf Vergleiche, Anknüpfungen und Veranschaulichung zurückgreifen muss, und führt den subjektiven Zustand so zurück in die „Objektivität“.
Ein in seiner letzten Instanz abstraktes Phänomen wird damit indirekt einer sprachlichen Auseinandersetzung und einem Dialog zugänglich gemacht.
Durch diese scheinbare Objektivierung geht jedoch viel des Unmittelbaren der Emotion selbst und auch dieser besonderen Wirklichkeit verloren.
Daher habe ich mich entschieden, nicht die verbale Sprache als Medium des Austauschs über dieses Erleben zu wählen, sondern bleibe im Ausdruck über die abstrakte Malerei letztlich auf der abstrakten Ebene der Emotionalität selbst.
Die Reflexion im Sinne eines tief durchdringenden Erlebens und Erkennens dieses inneren Zustandes, also nicht mit der psychologischen oder philosophischen Zuwendung und Auseinandersetzung gleichzusetzen, ermöglicht mir im Schaffensprozess eine abstrakte Bildsprache und damit einen entsprechenden Dialog mit dem Bildbetrachter, der auf eben jener Ebene der Emotionalität selbst in archaischer Weise eine Wahrheit des Empfindens und des Austausches ermöglicht, der mir anders verschlossen bleibt.
Umgeben und eingebettet als Individuum in einer Umwelt und einem Umfeld, dass aus einer Vielzahl von Eindrücken, Herausforderungen und Chancen wechselnde Emotionen und individuelle Zustände schafft, sind die Reflexion und das Durchdringen desselben ein Weg zur subjektiven Wirklichkeit, ein Weg zur Klarheit und individuellen Entscheidungsfindungen in der Herausforderung der täglichen Diversität.
Innere Harmonie und Balance werden zu Maßstäben für die Richtigkeit einer Entscheidung.
Dabei wird die Geschwindigkeit von Entscheidungsprozessen auch bestimmt durch das Erreichen individueller Balance, Bewusstheit und Reflexion.
In dem Bild „A Moment of Understandig“ verarbeite und beschreibe ich genau dieses personalisierte Gefühl „Ich verstehe, was Du meinst“, „Ich verstehe Dich (in diesem Moment)“, „Ich verstehe und durchdringe diese spezielle Situation in einem Moment voller Klarheit“.
Dieser Augenblick des Verstehens, des „Sich-Hineinfühlen-Könnens“ ist stets mit einem Zustand der inneren Balance als Momentaufnahme unseres Seelenlebens verbunden.
Dagegen ist der ursprüngliche schöpferische Akt voller Kraft und explosivem Potential eher ein ekstatisches Gefühl… Für mich immer verbunden mit der Beschreibung des Schöpfungsaktes aus der Bibel… ein unendliches Potential.: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.“ (Die Bibel, 1. Buch Moses).
In einzigartigen Momenten, in denen wir vollständig bei uns selbst ankommen, entfaltet sich plötzlich in unserem Inneren diese unbändige schöpferische Kraft , drängt nach außen und verleiht dabei unserem Handeln eine neue Dimension.
Ein Weg, dieses individuelle und doch allgemeingültige Erleben zu reflektieren, zu teilen, sich selbst und den emotionalen Prozess damit für andere Individuen in dieser gemeinsamen Welt zu öffnen, kann die künstlerische Verarbeitung sein.
Jedes kreative Schaffen bedarf der sensiblen Detailgestaltung – manchmal in kaum wahrgenommen Nuancen.
Dabei sind es die Details, die dazu beitragen, den angestrebten Gesamteffekt erreichen zu können, weshalb ich stets jedem Einzeldetail die gleiche Aufmerksamkeit schenke wie dem Gesamtwerk.
Aus der Gesamtharmonie gestalteter Details entsteht das vollständige Bild, die visualisierte Emotion.
Welche Rolle spielt in diesem Kontext die Geschwindigkeit beim Malen?
Sollte Geschwindigkeit beim Entstehen von Kunst überhaupt betrachtet werden?
Ja und nein, denn Ziel kann ja nicht sein, möglichst viele Kunstwerke in möglichst kurzer Zeit zu erschaffen. Das steht gerade dem schöpferischen Akt in der Kunst völlig entgegen. Trotzdem fällt mir immer wieder auf, wie unterschiedlich sich die Schaffensprozesse entwickeln, auch und gerade mit Blick auf die Geschwindigkeit der Entstehung.
In der Regel arbeite ich in einer Vielzahl von Schichten, um die besondere Farbwirkung meiner Bilder zu erzielen, um ihnen Tiefe und „Sprache“ zu geben.
Vielfach arbeite ich dabei auf Schichten feuchter Farbe weiter, was besonders spannende farbliche Mischeffekte erzeugt.
Dann wieder lasse ich das Bild trocknen, um den nächsten Effekt mit einem eher trockenen Pinsel und der reinen Farbe zu setzen.
Diese Zeit und Dauer sind in meiner Wahrnehmung von Geschwindigkeit nicht die entscheidenden Größen.
Auch erlebe ich – wie wahrscheinlich die meisten Künstler-, dass mich die zunehmende Beherrschung der verwendeten Technik, des Materials und die Erfahrung im gewählten Prozess immer schneller zum angetrebten Ausdruck führen.
Effekte, in denen der Zufall eine gestaltende Rolle spielt, lassen sich mit größerer Leichtigkeit steuern.
Trotzdem bleibt eine limitierende Größe. Diese ist erstaunlicherweise der Grad, mit dem ich das Objekt oder den emotionalen Zustand, den ich im Bild erlebbar machen möchte, bereits selbst durchdrungen und reflektierend erlebt habe.
Erst nachdem dieses Gefühlt, dieser Seelenzustand, der mein Schaffen antreibt, von mir für einen kurzen Moment vollständig verstanden worden ist, gelingt mir der finale Ausdruck, das Nacherlebbarmachen in meinem Werk.
Dies bestimmt in letzter Instanz die Geschwindigkeit meiner Malerei.
Daran schließt sich nahtlos die nächste Fragestellung an, die in der Abstraktion jedesmal neu beantwortet werden muss.
Woran erkenne ich, dass mein Bild vollendet ist?
Das Ende einer jeden Reise entlang eines schöpferischen Weges lässt in mir dieses Gefühl der Vollendung entstehen.
Ein solches Bild ist in sich „abgeschlossen“, ich kehre immer wieder dahin zurück, das Betrachten erfüllt mich immer wieder neu, und immer wieder neu entsteht die Emotion in mir, die in der Bildsprache reflektiert ist.
Entsteht dieses Gefühl nicht, verblasst die erste Intensität des Betrachtens, folgt auf den ersten Moment, in dem ich beeindruckt bin, vielleicht vom Kontrast, vom Duktus, von der Struktur, der Moment in dem die Verbindung zwischen Betrachter und Bild abreißt und nicht mehr neu entsteht, so kann dies ein Hinweis darauf sein, dass die finale Balance aus Farbe, Duktus, Kontrast und Mittelpunkt eben nicht erreicht wurde.
Der Eindruck, den das unvollendete abstrakte Bild bei uns hinterlässt, ist flüchtig, beliebig und lässt uns nicht zurückkehren.
Die Vollendung ist nicht objektiv messbar und muss vom Künstler sorgsam erfühlt werden.
Häufig erlebe ich persönlich dies als Moment einer besonderen Klarheit und Erkenntnis, als Moment, in dem die Emotionalität, die Ausgangspunkt für mein Schaffen war, von dem Bild entsprechend dem psychologischen Element der Gegenübertragung auf mich zurückwirkt und aus dem magischen Moment des Betrachtens heraus neu in mir ausgelöst wird.
Spreche ich in meiner emotionalen Sprache der reflektierten Abstraktion durch ein Bild hindurch, so spricht das Bild selbst in einem magischen Moment der Interaktion zum Betrachter und ermöglich das Durchdringen, Erleben und intuitive Reflektieren eines konkreten emotionalen Zustandes.
Ich erreiche das Finale und ein harmonisierendes Crescendo, in dem die Abstraktion zur Sprache der emotionalen Reflexion wird.
Weitere Informationen
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Ein Einblick in die aktuellen Ausstellungen und Kunstmessen von Hella Ridder:
Ausstellungen und Kunstmessen 2021/22, Stand 5/2021
01/2021: Azaro Artspace, Hamburg
03/2021: M.A.D.S., Mailand/Italien
04/2021: Radison Blue, Hannover (Solo)
04/2021: World Art Fair/Dubai
05/2021: Stage Gallery, Köln
06/2021: Focus Art Fair, Paris/Frankreich
07/2021: ART MUC, München
08/2021: Affordable Art, Hongkong/China
09/2021: Art Basel, Basel/Schweiz
02/2022: Hilton, Bonn (Solo)
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