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Artefakte in Millionenhöhe
Lost Art #7: Kunstwerke mit Müllbeuteln aus Museum geschmuggelt

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Kunstwerke mit Müllbeutel aus dem Museum geschmuggelt Über längeren Zeitraum wurden Musterbücher und andere Artefakte aus dem französischen Stoffdruckmuseum in
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Kunstwerke mit Müllbeutel aus dem Museum geschmuggelt

Über längeren Zeitraum wurden Musterbücher und andere Artefakte aus dem französischen Stoffdruckmuseum in Mulhouse geschmuggelt und vermutlich weiterverkauft. Hinweise darauf gab es schon vor Jahren, allerdings keine Spur. Bereits Anfang 2018 kontaktierte das Auktionshaus Sotheby’s Paris das Museum. Der Grund: Zwei Vasen des Jugendstilkünstlers Émile Gallé wurden  angeboten. Diese sollte das Auktionshaus versteigern. Jede der Vasen ist einen Sechsstelligen-Betrag wert. Sotheby’s vermutete, dass sie eigentlich zum Inventar des Museums gehörten. Doch es kommt noch dicker.

Der Direktor des Musée de l’impression sur étoffes musste sich erst bei den Angestellten informieren und vergewissern. Es herrschte bereits ein angespanntes Klima, da zu diesem Zeitpunkt schon das Fehlen mehrerer Hermès-Seidenschals bemerkt wurde. Der Direktor Éric Bellargent suchte den Kontakt zu den Verantwortlichen für die Vasen-Sammlung: Jean-François K. Dieser bestreitet, die Vasen jemals gesehen zu haben, diese Behauptung wird später widerlegt. Jean-François K steht unter Polizeikontrolle und wartet auf den Prozessbeginn.

Tödlicher Unfall?

Nachdem der Diebstahl bekannt wurde, stürzte der Direktor beim Auswechseln einer Glühbirne im Museum von der Leiter und verstarb. Damit fehlt ein wichtiger Zeuge in der Geschichte, die sich ließt wie ein Krimi-Roman. Erst nach Jahren der Recherche und Ermittlungen ist klar, wie viel überhaupt entwendet wurde. Klar ist jedoch, die Vasen im Auktionshaus waren nur die Spitze des Eisberges. Bis heute fehlen knapp 4000 Musterbücher, das sind 4/5 des ursprünglichen Bestandes.  Dutzende Paisley-Drucke, hunderte Zeichnungen und Hermès-Schals fehlen im Inventar. Der Schaden liegt über 3 Millionen Euro.

Pierre Freyburger war viele Jahre Kommunalpolitiker in Mulhouse. In dem Buch „Autopsie einer Plünderung“ dokumentierte er Aussagen und Bemerkungen von Zeugen, sprach mit Mitarbeitern des Museums und sammelte Anekdoten. Freyburgers Recherchen ergeben zum Beispiel, das eine Buchhalterin einen unüblichen Verbrauch von Müllbeuteln verzeichnet und ein Taxifahrer, der Jean-François K regelmäßig transportierte, bemerkte schwere Koffer. Der Wartungsdienst der Sicherheitsfirma sagte aus, dass der Direktor sie bei ausgelösten Alarmen abwimmelte. Eine Menge Ungereimtheiten.

Das Stoffdruckmuseum wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet. Es stand zunehmend isoliert. Bellargent und K. arbeiteten ohne Kontrolle von außen. Ein Beauftragter der staatlichen Denkmalschutzbehörde begab sich 2018 in das Museum für eine Bestandsaufnahme und spricht von undurchsichtigen Strukturen. Es soll zahlreiche Hinweise gegeben haben, dass Artefakte verschwinden. Diese blieben unkommentiert und ohne Folgen. Wusste der Direktor mehr?

Der Stoffdruck hat seit dem 18. Jahrhundert die Stadt groß und reich gemacht. Zum Ende hin galt das Museum als unterfinanziert, was eine angemessene Archivpflege erschwerte.

„In der Summe hat man das Gedächtnis unserer Stadt ausverkauft“ – Pierre Freyburger

Weitere Informationen

Titelbild von Gerd Altmann

Mehr über das Stoffdruckmuseum: Musées Mulhouse Sud Alsace – www.musees-mulhouse.fr

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